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Gesellschaft und Freundlichkeit

  • Autorenbild: Delia
    Delia
  • 29. Juli 2019
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Feb. 2021

Dieser Beitrag wird sich um die Gesellschaft in Argentinien und um Gewohnheiten, die Leute hier haben, drehen.

Dabei sind das alles meine Eindrücke und daher subjektiv.

Wie ihr bestimmt schon aus dem einen oder anderen Blogbeitrag herausgelesen habt, finde ich, dass die Menschen hier sehr freundlich sind. Die Leute sind offen und herzlich und man hat einen viel schnelleren Zugang zu den Menschen als in der Schweiz.

Das Auffälligste ist im Grund genommen, dass man viel mehr redet. Das kann verschiedene Auswirkungen haben.


Zum Beispiel redet man viel mehr mit Fremden. Es ist normal, dass man einfach mit jemandem ein Gespräch beginnt oder zumindest ein paar Sätze wechselt. Das führt dazu, dass man viel mehr Leute potenziell kennenlernt und von den Kennengelernten bleiben mehr übrig, die man dann wirklich kennenlernt und manche davon sogar mag. Daraus schliesst man: man lernt schneller Leute kennen. Die Schweiz im Vergleich ist nicht gerade für ihre Offenheit bekannt. Lateinamerika wohl eher. Und ich finde, das sieht man schön am Beispiel der Argentinier, die offener und zugänglicher sind. Und dies, obwohl sie unter den Lateinamerikanern nicht zu den Offensten gehören. Ich persönlich merke bei meinen Aufenthalten hier, dass ich an den ungewöhnlichsten Orten mit den Leuten ins Gespräch komme. Ich habe Freunde kennengelernt in der Schlange der Wechselstube, in Tango-klassen, beim Einkaufen, in der Subte (Untergrundbahn) und – logischerweise – im Ausgang.

Ich sage nicht, dass das jetzt alles meine Besties sind. Manche habe ich nie wieder gesehen, aber hatte einfach eine nette Unterhaltung mit ihnen. Aber manche habe ich wieder gesehen und manche sehe ich sehr oft. Die Gesellschaft macht es einer Touristin wie mir einfacher, in einem neuen Land Anschluss zu finden.

Dazu kommt, dass sie stolz sind auf ihr Argentinien. Das hat den Vorteil, dass die ArgentinierInnen gerne ihr Land den Touristen vorstellen. Sobald man also etwas fragt wie «ist La Plata schön?» oder «kennst du eine Buchhandlung hier?» fühlt sich der/die ArgentinierIn verantwortlich, dir entweder zehn Reisedestinationen aufzulisten oder dich höchstpersönlich zur nächsten Buchhandlung zu führen. Und sich dabei von der besten Seite zu zeigen, damit du einen guten Eindruck des Landes bekommst. Auch hier heisst das nicht, dass man mit jeder diesen Personen eine tiefe Freundschaft bildet. Aber mit manchen eben schon. Und man hat mehr «Auswahl» bzw. «Möglichkeiten».


Auffällig ist der Unterschied der Gesellschaft auch im Volontariat, das ich gerade mache. Wie ihr vielleicht schon im letzten Blogbeitrag gelesen habt, sind wir sehr viele Jugendliche (zwischen ca. 19 und 39), die zusammenarbeiten. An einem gewöhnlichen Tag sind mehr oder weniger 15 Leute im Hauptort der NGO anwesend (mit wechselnden Zeiten, also insgesamt mehr). Schon an meinem zweiten Tag dort kannte ich die Geschichte der ExfreundInnen von drei Mädchen, der misslungene Aufenthalt in Deutschland eines Kollegen und die Migration eines Südafrikaners nach Argentinien und erhielt meinerseits Tipps für meinen Aufenthalt hier. Wir unterhielten uns alle in einem Kreis, als würden wir uns schon seit Monaten kennen, obwohl wir einfach ein bunt gemischter Haufen sind. Manche kennen sich tatsächlich schon seit Monaten, andere nicht. Aber es ist normal zu fragen «und wie läufts bei dir mit Männern/Frauen?» oder «was machst du hier aus Südafrika?». Es wäre seltsam, keine Fragen zu stellen.


Wie ihr also schon raten könnt, ist man hier auch gefühlsbetonter. Die Leute reden schneller auch über unangenehme Gefühle und schämen sich nicht dafür. Das gehört nun mal dazu. Auch Themen wie Therapien, die man macht oder gemacht hat, sind lockerer. Ich höre immer mal wieder «mein Therapeut meinte, …» oder «damals war ich in Therapie wegen…» oder «nach meiner Depression…» und das wird ganz normal behandelt und nicht tabuisiert.


Das viele Reden kann den kleinen Nebeneffekt haben, dass man manchmal meiner Meinung nach unnötigerweise über ein Thema redet und redet und redet. Teilweise bei Thematiken, bei denen es keinen Sinn mehr hat, länger darüber nachzudenken. Oder ein Thema, das man schon zehn Mal durchgekaut hat. Wenn man dann gefühlsbetonte Themen mit reinnimmt, hat man lange Unterhaltungen über Gefühle, die je nach Gesprächspartner dramatisiert werden. So kann es sein, dass man schneller mal «Drama» hat und ich merke auch, dass das, was ich als «Drama» bezeichne, hier mehr im Alltag normalisiert ist. Für die ArgentinierInnen ist das dann kein Drama, sondern einfach eine Unterhaltung über Gefühle.


Wie ich in meinem Beitrag «Do’s und Don’ts – Argentinische Unterhaltungen» schon gesagt habe, muss man hier die Leute grüssen, wenn man ihnen begegnet. Wenn man an jemandem grusslos vorbeiläuft und man nicht gerade in Corrientes (grosse Hauptstrasse) ist, gilt man als unhöflich. Beispielsweise im Lift wird gegrüsst, ebenso an der Kasse. Ebenfalls ist «einen schlechten Tag haben» keine Entschuldigung für einen mangelnden Gruss. Erst gerade kürzlich habe ich mich mit zwei Argentinierinnen unterhalten, die sich darüber beschwert haben, dass vorhin eine äusserst unhöfliche Frau reingekommen sei. Sie habe einfach nach einem Lappen (oder Schwamm) gefragt, ohne zu grüssen! Dabei sei es egal, ob sie gestresst gewesen war. Ein Hallo bringt niemanden um…!


Das gilt dann als «mala onda». Onda ist ein viel verwendetes Wort: das heisst literarisch übersetzt Welle, wird aber auch z. B. als «Ausstrahlung» verwendet.


Beispiele: Qué mala onda! (über eine Person): Was für eine unhöfliche/pessimistische/schlechtgelaunte Person! A ver que onda (über einen Ort): Mal schauen, wie es so ist/läuft/aussieht. Muy buena onda!: Wie toll! Wie spannend! No me gusta esa onda: Mir gefällt diese Art/Stimmung/Atmosphäre nicht.


So, das wär’s für heute. Ich hoffe, ihr mögt die Onda auf dem Blog 😉.

Bis zum nächsten Mal!

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