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Do's und Don'ts - Argentinische Unterhaltungen

  • Autorenbild: Delia
    Delia
  • 25. März 2019
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Feb. 2021

Der heutige Blogartikel dreht sich um die Kultur in Argentinien, spezifisch gesagt, über Umgangsformen. Ich werde etwas erläutern, wie man Unterhaltungen im argentinischen Stil führt 😉. Und vorneweg: Das kann euch durchaus auch für die Schweiz von Nutzen sein.


Ich weiß nicht, was ihr euch unter «Latino» oder «Argentinier» vorstellt. Es gibt etliche Bilder und etliche Stereotypen und genauso viele davon sind falsch. Jedoch kennt ihr bestimmt den Ruf, dass Latinos offen sind, viel reden oder euren kleinen Schwestern zur Begrüssung in die Wange kneifen. Zwar hat mir zum Glück niemand in die Wange gekniffen, aber es stimmt, dass die Argentinier sehr offen und herzlich sind (meiner Erfahrung nach). Nun würde ich sie nicht unbedingt als typische Latinos bezeichnen, und auch Bekanntschaften mit Leuten aus anderen lateinamerikanischen Ländern sagten mir, dass die Leute dort noch offener sind – ein Kolumbianer meinte, er sei etwas enttäuscht über die «verschlossenen» Leute in Argentinien. Ich meinte dann, er müsse sich Antidepressiva zutun, wenn er in die Schweiz will. Denn im Vergleich mit der Schweiz ist Argentinien bereits das Lateinamerikanische Kuba.



Nun etwas konkreter:

Die Leute hier sind in der Regel sehr freundlich neuen Bekanntschaften gegenüber und meist ebenso herzlich. Besonders Touristen finden sie interessant, denn diese sollten das Land bestmöglich kennenlernen und dies von der guten Seite. Jedoch sind sie auch untereinander so, nicht nur zu Ausländern.


Als Beispiel erklär ich euch meine Routine, wenn ich in die Freiwilligenarbeit gehe. Ich arbeite in einem Heim für Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren und helfe dort bei verschiedenen Aktivitäten. Wenn ich also das Heim betrete, macht mir erst einmal die Koordinatorin die Tür auf. Sie kommt mit einem Lächeln auf mich zu und sagt: «Hola Delia, como estás?» Ich muss dann zurücklächeln und zurückfragen, wie es ihr geht. Sobald die Tür hinter uns zu geht, geben wir uns gewöhnlich eine Umarmung. Und dies seit Tag 1, nicht erst nach einer Nacht im selben Schlafsack mit Geschichten aus der Kindheit (ich mach nur Spaß, die Nacht gab es nie). Wenn ich dann mal im Heim selbst bin, begrüss ich jedes Mädchen (es sind vorwiegend Mädchen) mit einer Umarmung und einem «hola, como estás?» oder «hola, todo bien?». Die Umarmung beinhaltet ein Küsschen auf die Wange. Im Unterschied zum Schweizer Kuss, der in die Luft geht, berühren sich in Argentinien die beiden Wangen – oder sogar Lippe und Wange.


Zwar fragt man jede Person, wie es ihr geht, aber gewöhnlich fällt die Antwort relativ kurz aus oder man stellt eine Gegenfrage (como estás?), ohne überhaupt direkt zu antworten. Die Frage ist mehr Routine als ernst gemeint (kommt natürlich auf die Gesprächspartner an).



Was man alles sagen kann:

Hola…

Como estás? - Wie geht’s?

Como andas/andás? - Wie läuft’s?

Todo bien? - Alles gut/klar?


Dann:

Bien, y tú / y vos? - Gut, und dir?

Todo bien y tú/vos? - Alles gut, und du?

Como estás? - Wie geht’s?


Oder, wenn’s euch nicht so blendend geht:

Más o menos, y tú/vos? - Mehr oder weniger, und du?

Andando, y tú/vos? - Vorwärtsgehend («es muss»), und du?


Wenn ich einfach ins Heim spazieren würde und niemanden grüssen, würde ich irgendwann beleidigte Blicke bekommen und als unhöflich oder distanziert abgestempelt. Am Anfang ist es etwas eine Umgewöhnung, stets die ganze Begrüssungszeremonie durchzuführen, aber man gewöhnt sich relativ schnell daran.


Nun gehe ich auch in ein Kleidergeschäft, suche Blickkontakt mit der Verkäuferin und grüsse (dies ohne Umarmung), bevor ich mich umsehe (sofern die Größe des Geschäfts dies zulässt). Dasselbe gilt für jedes andere kleine Geschäft. Auch wenn man im Gang oder auf einer einsamen Straße jemanden kreuzt, grüsst man sich wenigstens mit einem Lächeln. Einfach vorbeigehen gehört sich nicht.



In einer gewöhnlichen Unterhaltung zwischen zwei Personen hat die Person, die der anderen zuhört, eine aktivere Rolle als in der Schweiz. Während der Zuhörende in der Schweiz die Geschichte des Erzählenden einfach mit einem «hmm» «mhmm» «ohh» quittiert, kommt das in Argentinien seltsam oder gar unhöflich über. Es wirkt dann eher so, als ob es euch ziemlich am Hintern vorbeigeht, was gesagt wird.


Vielmehr wird erwartet, dass man einen Kommentar dazu macht. Mit dem Kommentar darf man den Erzählenden sogar unterbrechen, aber Hauptsache, man zeigt, dass man versteht, was der andere sagt. Diese Kommentare können aus verschiedenen Elementen bestehen.


Entweder, man wiederholt ein Schlüsselwort, damit klar ist, dass man die Botschaft erhalten hat. Zum Beispiel erzählt euch jemand, dass er eine Katze hat, die gestreift ist, schwarz und braun. Dann wiederholt ihr «ah, schwarz und braun gestreift». Dies formuliert ihr jedoch nicht als Frage (sonst haltet man euch für dumm oder Ausländer), sondern einfach als Feststellung.

Als zweite Option sind Ausrufe immer gut. Wenn euch jemand etwas Bewegendes erzählt, kommentiert ihr dies mit einer passenden Emotion.


Da gibt es Standardausrufe, die gerne benutzt werden:

Qué bien! - Wie gut!

Qué mal! - Wie schlecht! (Oh, scheisse)

Qué asco! - Iiih, widerlich!

Qué lindo! - Wie schön!

Qué interesante! - Wie interessant!

Buenísimo! - Super!

Perfecto! - Perfekt!

En serio? - Im Ernst?

Für jede Situation etwas 😉.



Ebenfalls fällt mir auf, dass die Argentinier häufig dasselbe wiederholen. Zum Beispiel ist man als Gruppe im Auto und fährt irgendwo hin. Wenn jemand etwas erzählt, am Ende angekommen ist und dann merkt, dass eine Stille entstanden ist, kommt es häufig vor, dass er einfach den letzten Teil nochmals wiederholt. Natürlich nicht wortwörtlich, aber einfach so ungefähr, als Betonung. Es ist auch nicht so, dass er (oder sie) aktiv denkt «oh jetzt wiederhole ich schnell, was ich gesagt hab!», sondern das ist einfach so normal, dass es automatisch geschieht.


Zum Beispiel: «Und dann ist sie einfach davongerannt. Ja, sie ist einfach weggerannt, schlichtweg davon.» (Person zwei: «Oh, davongerannt!») Im Prinzip hat man die Message ja schon nach der Hälfte verstanden, aber im Zweifelsfall wiederholt man es lieber, damit es auch der Letzte versteht.

Ebenso ist das von Nutzen, wenn euch ein Argentinier/eine Argentinierin rumführt. Als mich ein Freund an den Fluss gefahren hat und wir dort durch den Park gelaufen sind, war meine Reaktion zum Beispiel: «Ah wow, das sieht aus wie das Meer.» Zehn Schritte weiter: «Wie schön, ich verwechsle es wirklich mit dem Meer.» Er: «Es ist aber Süsswasser, daher nennen wir es Fluss.» Nach zwei Minuten: «Sehr schön, das gefällt mir.» Nach zehn Minuten (dazwischen kann man logischerweise noch über was anderes reden): «Toll, schöne Aussicht hier.»


Das tönt jetzt sehr anstrengend (nehm ich an), aber man gewöhnt sich auch an das ziemlich gut, finde ich. Es ist einfach eine andere Art, Dinge zu sagen. Man kommentiert alles und jeden, ohne groß zu überlegen. Hauptsache, man sagt etwas.



Spanische Beispiele für Landschaftskontemplationen:

Ay qué lindo! - Oh wie schön!

Me encanta! - Gefällt mir sehr!

Muy lindo! - Sehr schön!

Buenísimo! - Sehr gut/super!

Precioso! - Schön/zauberhaft!

Hermoso! - Schön/hübsch!

Auch hier kann man die Regel des Wiederholens anwenden. «Ay qué lindo. Me encanta. Muy lindo!»



Um noch ein Don’t reinzubringen: Das Thema der Politik. Ist zwar kein Don’t, aber irgendwie trotzdem ein Don’t.

Denn die Politik ist sehr präsent hier. Jeder hat seine Meinung und jeder hat eine ziemlich sichere Meinung. Was man also nicht tut, ist, jemandes Meinung ändern zu wollen. Das endet nur in einer Diskussion.

Ebenso wenig lacht man über die Politik. Egal, wie viele Witze der andere macht und selbst wenn er euch den Sarkasmus anschreit, ihr dürft nicht lachen. Denn das nehmen sie beleidigend oder als Respektlosigkeit auf. Selbst wenn sie ironisch oder sarkastisch reden. Die einzigen, die über die eigene Situation lachen dürfen, sind sie selbst. Glaubt mir, ich hab Erfahrung damit gemacht.



Last but not least: Ich muss euch die beiden Ausdrücke Che und Boludo näherbringen. Das ist nicht vermeidbar hier.

«Che» ist ein Ausdruck, den man in Argentinien verwendet, wie die Schweizer Jugendlichen «Alter» sagen. Nur, dass das bis ins hohe Alter verwendet wird. Ebenso wird es als «Hey» verwendet.


Zum Beispiel: «Che, me podés mandar ese video?» (Hey, kannst du mir dieses Video schicken?)

Oder: «Che, no hay más agua?» (Oh/Hm/Hey, hat es kein Wasser mehr?)

Aber auch: «Che qué hacés?» (Alter, was machst du da?)


Oder am besten: «Che, boludo qué hacés?» oder «Che, qué hacés, boludo!» (Alter, was machst du da? / Idiot, was machst du da?)


«Boludo» benutzt man wie «Idiot», nur, dass man es auch viel häufiger sagt als in der deutschen Sprache das «Idiot» verwendet wird. Besonders unter jungen Leuten hört man in jedem zweiten Satz Boludo oder Boluda.


Die Partikularität daran ist, dass die beiden Wörter fast (!) ausschliesslich in Argentinien benutzt werden. Wenn ihr jemanden hört, das sagen, könnt ihr mit 90% Sicherheit sagen, dass es ein/e ArgentinierIn ist.



Zum Schluss möchte ich erwähnen, dass die offene Art der Argentinier es einem erleichtern, schnell Leute kennenzulernen. Denn dass man fremde Leute anspricht, ist in der Tagesroutine. Und mit meinem Orientierungssinn könnt ihr euch bestimmt vorstellen, wie häufig ich schon jemanden nach dem Weg gefragt habe. Und ich hab noch nie eine Zurückweisung erhalten. Überhaupt ist es üblich, dass man im Zweifelsfall jemanden fragt – und nicht das Handy oder den Automaten fragt. Obwohl ArgentinierInnen Google Maps haben oder das Billett für den ÖV am Automaten lösen können, fragen sie lieber eine Person nach dem Weg und lösen das Billett am Schalter. Denn wenn man nebenbei noch eine kleine Unterhaltung führen kann, warum sollte man einen Bildschirm konsultieren?



Also, ich hoffe, ihr könnt was von dem Artikel mitnehmen! Und ich erwarte mindestens einen Ausruf pro Person in den Kommentaren! In den Kommentaren! (xD)


Beruhige dich und trink einen Mate

Che boludo - Made in Argentina


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