Strassenverkehr in Buenos Aires
- Delia
- 22. Jan. 2019
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Feb. 2021
Ich weiß nicht, wieso ich schon beim Schreiben des Titels lächle. Das kann natürlich viele Gründe haben, aber miteiner davon ist, dass ich den Verkehr immer wieder amüsant finde. Jeder verhält sich, wie es ihm gerade passt.
Ich werde hier etwas also über den Strassenverkehr erzählen, und dies schlicht aus der Erfahrung, die ich bisher gemacht habe.
Man fährt auf der Mittellinie und geht zwischen Zebrastreifen über die Straße.
Erst einmal haben mir alle, die in den letzten 10 Jahren auch nur in der Nähe von Buenos Aires gewesen sind gesagt, dass ich gut aufpassen muss auf der Straße. Die Autos würden nicht anhalten und alle Verkehrsteilnehmer könnten grün und rot nicht auseinanderhalten.
Entsprechend vorsichtig bin ich also die ersten Tage über die Straße gegangen (und tue ich immer noch verantwortungsbewusst). Froh zu sehen, dass ich nicht die Einzige bin, die im Zweifelsfall lieber anhält. Und auch die Mehrheit der Bekanntschaften, die ich hier in Buenos Aires gemacht habe, haben spätestens im 3. Satz gesagt, ich sollte auf der Straße aufpassen. Wegen Raub, aber auch wegen der Autos. Also habe ich vermittelt bekommen, dass hier alle höchst vorsichtig über die Straße gehen. Aber die Beobachtung der Leute zeigt ein sehr ambivalentes Verhalten auf:
Regel 1: Wenn du über die Straße willst, muss du über die Straße rennen.
Regel 2: Wenn du über die Straße willst, darfst du nicht einfach über die Straße rennen.
Am Ende geht es darum, eine Balance dazwischen zu finden. Denn beide Regeln habe ihre Anwendung. Wenn du über die Straße willst, und nicht über die Straße rennst oder wenigstens beschleunigt gehst, dann kommst du nicht an. Weil die Autos warten nicht auf die Fussgänger und fahren bestimmt keine 30 in der 50er-Zone. Auf die Nettigkeiten kannst du höchstens bei der Polizei warten und ein paar Taxifahrern, die Kunden suchen.
Jedoch ist es aber auch so, dass du nicht unbedingt schneller ankommst, wenn du einfach über die Straße rennst.
Nein, du musst im richtigen Moment über die Straße rennen.
Wenn die Autos gerade warten, bis ein Bus kreuzt oder tatsächlich an der Ampel anhalten, dann musst du gehen – egal ob du rot, grün oder Zebrastreifen oder gar nichts hast.
Wenn der Bus aber vorbei ist oder die Ampel für die Autos grün wird, musst du rennen. Du magst jetzt denken, das sei doch alles nur halb so wild, die Autos würden ja nicht mutwillig einen Menschen überfahren.
Ich verstehe den Einwand. In meinem Hinterkopf höre ich meinen (argentinischen) Mitarbeiter aus Basel: Delia, wenn ich sage sie halten nicht an, dann meine ich sie halten nicht an!
Und er hat Recht. Denn die Autofahrer wissen, dass du rennen kannst – beziehungsweise gehen davon aus. Wenn du also in der Mitte der Straße bist und von rechts ein Chevrolet kommt, dann gibt er Gas. Denn er meint, du wirst als junge fitte Person ja wohl auf die Idee kommen, deine Beine in die Hand zu nehmen. Ich habe es schon paar Male gesehen, dass das Auto dann sehr knapp an den Knöcheln der Leute vorbeigefahren ist, weil sie die Geschwindigkeiten falsch eingeschätzt haben.
Immerhin jedoch wird älteren Leuten gut Platz gemacht. Da gibt niemand Gas, viel mehr spüre ich hier, dass die Leute sehr Respekt haben für die ältere Generation.
Beim Über-die-Straße gehen schaut man also hauptsächlich darauf, dass man heil von A nach B kommt, und nicht allzu viel auf die Strassenzeichen (was jedoch manchmal durchaus eine Hilfe ist, natürlich). Ein Beispiel von Tante M: Auch sie hat mir gesagt, ich müsse sehr vorsichtig über die Straße gehen, weil das südamerikanischer Verkehr sei. Kurz darauf spazieren wir gemeinsam zu einem Park, wobei wir an eine grosse Querstrasse kommen, die die unsere kreuzt. Auf beiden Seiten hat es einen Fussgängerstreifen und auf der einen sogar eine Ampel (siehe Bild). Die Leute – inklusive Tante M – jedoch gehen nicht etwa über den Fussgängerstreifen, die zirka einen Abstand von zehn Schritten zueinander haben und daher leicht zu erreichen sind. Nein, sie gehen genau in der Mitte der beiden Streifen durch.
Und ich renne verständnislos hinterher.

Auch aus der Sicht des Autos aus ist der Verkehr etwas wilder, als wir es gewohnt sind.
Viele Strassen hier sind Einbahnstrassen – was das über die Straße gehen um einiges erleichtert! – und breite Einbahnstrassen haben logischerweise eine weisse Mittellinie. Nur hat die Linie hier offenbar eine andere Funktion. Die Mehrheit fährt auf der Mittellinie statt zwischen den Linien.
Auch das Überholen und die Hupe werden etwas freier benutzt, als man es aus der Schweiz kennen würde. Überholt wird auch gerne mal ein längeres Stück auf der Gegenspur.
Das alles meine ich jedoch nicht zwangsläufig negativ, falls das so rüberkommt.
Es kommt durch den Verkehr zu mehr Unfällen, was ich sehr schade finde – wie jeden Unfall.
Aber ansonsten verurteile ich weder den einen noch den anderen Verkehr und ich komme mittlerweile gut damit klar, über die Straße zu gehen. Im Gegensatz zu Basler Begleitung sagen Argentinier, wenn man sie am Trottoirrand mit einem «cuidado» und Hand vor dem Körper stoppt, nämlich «gracias» und nicht «chill».
[cuidado = Achtung, gracias = danke]

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